Wie ich als 13-jähriger Junge im Turnsaal das Fundament der Persönlichkeitsentwicklung für mich entdeckt habe – und dreizehn Jahre später mir ein neues Konzept aus der Psychologie die Augen dafür geöffnet hat.

Ich weiß nicht mehr genau, was mein Sportlehrer damals zu mir gesagt hat. Aber auch heute noch denke ich mit Freude und Dankbarkeit an diesen Nachmittag im Gymnasium zurück.

Mittlerweile ist es schon fast zwanzig Jahre her. Damals stand der Sportunterricht noch unter „Leibesübungen“ auf dem Stundenplan, und diese hat nicht der Sport-, sondern der „Turnlehrer“ geleitet. Besagter Turnlehrer war ein ehemaliger Fußballspieler bei der Wiener Austria und gehörte charakterlich gesehen noch der Alten Schule an. Er war ein geradliniger Mann, der kurz vor seiner Pension stand. Etwas wortkarg und sehr fordernd. Wir mochten ihn.

„Der Mark hat sich wirklich gesteigert. Ihr könnt euch alle ein Beispiel an ihm nehmen.“ Solche oder ähnliche Worte drangen an das obere Ende des langen Taus zu mir herauf, an dem ich noch kurz davor zügig und entschlossen hochgehangelt war. Ich war geschafft – doch ich hatte es auch geschafft! Nach meinen ersten Fehlversuchen vor einigen Monaten hatte ich das Seil siegreich bezwungen. Und mein Turnlehrer hatte es bemerkt und mich vor meinen Klassenkameraden für die Steigerung meiner Leistung gelobt.

Doch nicht nur beim Tauklettern, auch in den anderen Disziplinen der Leichtathletik konnte ich meine Ergebnisse für meine Verhältnisse dramatisch verbessern: Den 600-Meter-Lauf absolvierte ich dieses Mal, ohne dass mich wieder das Seitenstechen quälte und mir nach dem Zieleinlauf fast Schwarz vor Augen wurde. Ich lief eine gute Zeit. Beim Sprint, beim Weitspringen, beim Hochsprung und beim Weitwerfen konnte ich ebenfalls viel bessere Zeiten, Distanzen und Höhen als beim ersten Durchlauf erzielen. Ich war so stolz!

Die ersten Liegestütze meines Lebens

Damals war ich 13 Jahre alt und vor kurzem erst in die Pubertät gekommen. Es war mir nicht egal, wie gut oder schlecht ich mich in der Leichtathletik schlug. Ich wollte mithalten können und zeigen, wozu ich fähig bin. Was leichter gewünscht war als geschafft.

Mein Scheitern beim ersten Mal motivierte mich zu einem ungewöhnlichen Training am Ende eines langen Schultages. Nachdem ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, begann ich mit den Übungen.

Ich hatte keinen konkreten Plan, denn von Sport wusste ich damals nur sehr wenig. In der Herbstdämmerung drehte ich einfach meine Runden auf einem einsamen Güterweg, der durch einen Wald neben meiner Heimatgemeinde führte.

Manchmal schnallte ich mir Gewichte um die Fußgelenke.

Manchmal hängte ich mir einen Rucksack mit schweren Steinen um.

Und manchmal sprintete ich in dieser Montur sogar einen ruppigen Feldweg hinauf.

Ich übte die ersten Liegestütze meines Lebens und quälte mich ächzend an einer Stange für meine allerersten Klimmzüge hoch. Ich ließ mir Kurzhanteln schenken, die ich nicht nur für Curls, sondern auch für Sit-ups verwendete. Ich legte meine Beine hoch, hielt eine 15-kg-Hantel über meinem Brustkorb und drückte mit aller Kraft meinen Oberkörper hinauf. Wenn es schon zu dunkel geworden war, lief ich sogar im Garten einige Runden um mein Elternhaus herum. Dieses selbst erdachte Training absolvierte ich lange, bevor hippe Sportarten wie „Calisthenics“ oder „Freeletics“ in den Trend gekommen sind.

Ich dachte mir: Eine schlechte Leistung heißt noch lange nicht, dass ich zu schwach oder nicht sportlich genug bin. Wenn ich mich anstrenge, dann kann ich auch besser werden. Ich kann mich steigern. Ich kann das nächste Mal schneller laufen, weiter und höher springen und werfen und endlich dieses lange Seil hochklettern.

Und ich hatte Recht behalten.

Können wir uns wirklich verändern?

Doch warum erzähle ich dir das alles? Ich glaube, der Sport hat mich damals eine wichtige Lektion gelehrt. Ohne es zu wissen, habe ich beim Training eine Einstellung entwickelt, die meiner Meinung nach nichts weniger als das Fundament der Philosophie der Persönlichkeitsentwicklung ist – und ihres praktischen Gelingens. Nur wenige wissen, worum es dabei geht.

Dieses Fundament beruht auf der Erkenntnis, dass Menschen sich verändern können. Jeder kann sich jederzeit in jeder Hinsicht verbessern. Jeder kann seine Fähigkeiten und Leistungen steigern. Und so können wir in jedem Bereich unseres Lebens erfolgreicher werden, sei es im Beruf, in den Finanzen, in den Beziehungen oder eben im Sport.

Als Wesen, die stets im Werden begriffen sind, verändern wir uns unser ganzes Leben lang. Die Veränderung mag nicht immer so auffällig sein wie das erste Wort, das wir sprechen. Wir sehen es nicht so klar wie beim ersten Mal, da wir sicher und souverän unser Auto durch den Verkehr lenken konnten und die Bestätigung in uns haben: Jetzt können wir richtig fahren! Niemand wird ständig mit dem Satz begrüßt: „Na, du hast dich aber verändert!“ Und trotzdem sind wir im Wandel, von Tag zu Tag, ja von einem Augenblick zum nächsten.

Nicht ob, sondern wie wir uns verändern können: Das ist die Frage, die wir uns eigentlich stellen sollten.

Wie kann der Jähzornige geduldiger werden – und lernen, seinen Ärger im Griff zu behalten? Wie schafft es jemand, seine Redeangst zu überwinden, oder die Angst, eine interessante Frau anzusprechen? Was muss der Verschwender tun, um sparsamer zu werden, und der Schwarzseher, um sich auf Optimismus und Selbstvertrauen zu programmieren?

Das sind die wirklichen Fragen, die wir uns als denkende Wesen stellen können, die so wie alles um uns herum ständig im Werden begriffen sind. Die Tatsache, dass wir uns laufend verändern, bedeutet also, dass unsere Persönlichkeit nicht in Stein gemeißelt ist. Wenn wir schlecht in einer Fähigkeit sind, können wir durch Übung und Engagement besser darin werden. Wir können Dinge erreichen, die wir zuvor nicht für möglich gehalten hätten. Nach oben hin ist immer alles offen.

Ich glaube, das ist ein Augenöffner für viele Menschen. Und ich bin froh, dass ich schon in jungen Jahren zu dieser Grundeinstellung gefunden habe, obwohl dieses Denken in mir zunächst nur auf den Sport eingeschränkt war. So wie eine Note ist eine sportliche Leistung, ja, jede Leistung, nur ein Punkt und keine Linie. Und ein einzelner Punkt ist zu wenig, um eine Steigerung vorauszusagen.

Aus diesem Grund macht uns ein gescheitertes Business, eine verpatzte Prüfung oder ein Beziehungsaus noch lange nicht zum gefürchteten „Versager“ oder zu jemanden, der es einfach nicht auf die Reihe kriegt.

Es bedeutet nicht, dass wir keine talentierten Unternehmer sind oder ungeeignet für den Beruf, den wir wirklich wollen. Es heißt nicht, dass wir mit Frauen nicht umgehen können oder leider immer „Pech mit Männern“ haben. Fehler, Rückschläge und Misserfolge sind nur ein Feedback, aus dem wir lernen können – um es beim nächsten Mal besser zu machen.

Das dynamische vs. das statische Selbstbild

Die Grundeinstellung, die damals im Turnsaal in mir herangewachsen ist, nennt sich in der Psychologie das „dynamische Selbstbild“. Dieses steht im Gegensatz zum „statischen Selbstbild“. Aber was ist eigentlich ein Selbstbild? Und was unterscheidet diese verschiedenen Anschauungen?

Unser Selbstbild ist nichts weiter als das innere Bild, das wir von uns selbst haben. Unser eigenes Bild über uns als Mensch, mit unseren Fähigkeiten und Talenten, kurz: mit dem Potenzial, das wir zu haben glauben.

Grundsätzlich gibt es Menschen, die positiv über sich und ihr Potenzial denken, und Menschen, die eher ein negatives Selbstbild haben. Die meisten glauben für gewöhnlich, wer positiv denkt – z.B.: „Ich bin talentiert, ich bin intelligent, ich bin der und der“ – der ist erfolgreicher als der Negativdenker.

Das ist ein Irrtum.

Über unseren beruflichen, akademischen oder sportlichen Erfolg entscheidet nämlich nicht, ob wir ein positives Selbstbild haben, sondern ob es dynamisch oder statisch ist.

Diesen subtilen, aber wichtigen Unterschied hielt die Standford Psychologin Carol Dweck zum ersten Mal in Untersuchungen an Schulkindern fest. Ihr Buch: „Selbstbild. Wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt“, (2009) ist eine augenöffnende Lektüre. An zahlreichen Beispielen aus Sport, Wirtschaft, Politik und Kunst zeigt die Forscherin auf, dass der Glaube an unsere Veränderbarkeit das Um und Auf für Erfolg und persönliches Wachstum ist.

Carol Dweck teilt die Menschen somit nicht in Adler und Enten, sondern in „statisch“ oder „dynamisch“ ein – und macht damit eine grandiose Unterscheidung.

Menschen mit einem dynamischen Selbstbild wissen, dass ihr Potenzial nicht gleich zu Beginn erkennbar ist. Sie sind lernbegeisterter und eher bereit, sich anzustrengen. Fehler und Rückschläge betrachten sie als Ansporn, es besser beim nächsten Mal besser zu machen. Und eben nicht als vernichtendes Urteil über sie als Menschen und das, was sie noch erreichen könnten.

„Ich habe kein Talent zum Unternehmer.“ – „Ich bin nicht diszipliniert genug, um die Abendschule fertigzumachen.“ Oder: „Ich bin und war schon immer Raucher – was quäle ich mich damit, jetzt aufzuhören?“ Solche begrenzenden Glaubenssätze bestimmen das Denken von Menschen, die ein statisches oder fixes Selbstbild entwickelt haben.

Wer statisch denkt, geht von unveränderlichen Charaktereigenschaften aus: Man ist eben so, wie man ist. In diesem Weltbild ist intelligent, wer keine Fehler macht und immer tadellose Leistungen erbringt. Der Erfolg – denkt sich jemand mit einem statischen Selbstbild – muss mühelos zu erreichen sein. Weil man eben so talentiert ist. Anstrengung zeige nur, dass man eben nicht für den Erfolg geboren sei.

Menschen mit statischem Selbstbild bemühen sich deshalb weniger um den Erfolg und geben auch früher auf. Sie glauben nicht daran, dass sie sich verändern können. Sie verherrlichen das Talent und schauen geringschätzig auf Übung und Anstrengung herab. Sie halten sich – auch im jungen Alter – schon für „fertige“ Persönlichkeiten. Und ersticken damit bereits im Keim jede Chance auf positive Veränderung.

Das Selbstbild verändern und endlich erfolgreich werden

Wenn du dich zähneknirschend im statischen Selbstbild wiedererkennst, dann habe ich eine gute Nachricht für dich: Du kannst hier und heute bewusst die dynamische Einstellung entwickeln. Nach den letzten Worten dieses Artikels kannst du beginnen, dich von nun an als werdender Mensch zu begreifen.

Diese Haltung hat die Macht, dich in vielen Dingen zum Handeln zu beflügeln, die du vielleicht schon aufgegeben hast.

Das ist Wendepunkt und Start in der abenteuerlichen Reise deiner persönlichen Weiterentwicklung.

Beobachte die Welt um dich herum. Mache dir immer wieder bewusst, wie sehr doch alles dem Wandel unterworfen ist. Schaue auf die letzten 7 Jahre deines Lebens zurück: Was hast du im Hinblick auf deine berufliche und finanzielle Situation, in deinen Beziehungen, in deiner Gesundheit und in deiner Persönlichkeitsentwicklung schon alles erreicht? Jeder von uns kann Erfolge vorweisen. Was waren die großen Veränderungen, die dich geprägt haben? Dazu gehören auch ein Umzug, neue Menschen, die du kennengelernt, oder ein inspirierendes Buch, das du gelesen hast. Inwiefern hast du dich als Mensch verändert und weiterentwickelt?

Wenn du mehr darüber wissen willst, so lies das Buch: „Selbstbild“ von Carol Dweck, ich kann es dir nur ans Herz legen. Beantworte die darin enthaltenen Fragen zur Selbsteinschätzung und führe die Übungen durch, die sie erstellt hat.

Du kannst selbst entscheiden, ob du dein Potenzial weiterhin durch die Brille der beschränkten Möglichkeiten betrachtest oder die Chance ergreifst, alles in jeder Hinsicht zu verbessern und von neuem deine wahren Ziele anzustreben. So beginnst du, dein Schicksal wieder in die Hände zu nehmen – und endlich das Seil des Erfolges hinaufzuklettern.

Meine Frage an dich wäre noch: Welche Aussagen oder Beispiele, die dir aus dem Alltag einfallen, sind deiner Meinung nach typisch für das statische Selbstbild? Und welche für das dynamische? Schreibe deine Antwort in die Kommentare!

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